02/07/2024 0 Kommentare
Pilgertour in Schweden - Ein Tagebuch
Pilgertour in Schweden - Ein Tagebuch
# ÖPI

Pilgertour in Schweden - Ein Tagebuch
Tag der Anreise:
Am 22. Juli treffen wir uns um 21 Uhr an der kath. Kirche in Stralsund um mit dem Boni-Bus nach Warnemünde zu fahren. Für Pilger haben wir erstaunlich viel Gepäck. Nur gut, dass wir nicht alles tragen müssen und ein Begleitfahrzeug haben. Statt eines Pilgersegens beten wir noch vor Abfahrt die Komplet in der Kapelle - sozusagen als Einstimmung auf die Tage. Bei Nieselregen und kühlen Temperaturen nehmen wir mit guter Laune die Nachtfähre nach Trelleborg. Die fährt 8 Stunden und wir haben Kabinen. Die Fähre ist pünktlich da und wir auch. Einchecken klappt - nicht so selbstverständlich, wenn alles nur noch elektronisch läuft. Die Kabinen sind erstaunlich geräumige 4Betten-Zimmer mit Dusche und Toilette. Und die Betten sind frisch bezogen. Einer guten Nacht steht nichts entgegen - außer vielleicht die Aufregung.
1.Tag - 23.Juli - Sonntag - Tag der heiligen Birgitta

Es regnet immer noch. Die Fähre legt an. Dankbarerweise schreibt Magnus, dass er ab 8 Uhr in Lund-Liberiet auf uns wartet. So fahren wir durch und landen eine halbe Stunde später in Lund. Die Tür zu Liberiet, dem Pilgerzentrum in Lund, steht offen. Ein leichter Geruch nach frischem Kaffee kommt uns entgegen und im Eingang steht ein Mann mit Kollarhemd. Die erste Verwirrung ist da. Magnus ist lutherischer Pastor (Pilgrimspräst) am Dom in Lund und schwarzes oder graues Collarhemd ist auch für evangelische Geistliche, egal ob männlich oder weiblich, Dienstkleidung.
Nach kurzem Sortieren und Auspacken können wir frühstücken und uns beschnuppern. Die Sprachgrenzen werden ausgelotet und erste Informationen zu Person und Hintergrund ausgetauscht.
Nach dem Essen gehen wir kurz rüber in den Hof der Bischofskanzlei und begrüßen die Statuen von Papst Franziskus und Martin Luther, die hier in großer Nähe aber mit grimmigem Gesicht Seite bei Seite stehen. Die Statuen sind eine Erinnerung an den Papstbesuch 2016 zum Auftakt des Reformationsjubiläum - der eigentlich nicht grimmig, sondern sehr freundlich war - und der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung hier im Dom zu Lund.
Danach kommt die nächste geistliche wie kulturelle Herausforderung: Högmässan im Dom. Es prozessieren zwei Priester, zwei Diakoninnen und drei Ehrenamtliche mit Kreuz, Kerzen und Evangeliar in die Kirche rein und dann kommt ein schwedisch lutherischer Gottesdienst, der von unseren katholischen Pilgern vom Ritus her als seeehr katholisch empfunden wird. Magnus Malmgren, der Pilgerpastor predigt zum Thema der Verklärung Jesu.
An dieser Stelle begrüßen wir unsere gedanklichen und betenden Mitpilgerinnen, die Benediktiner-Schwestern aus dem italienischen Kloster San Vincenzo. Sie werden für uns beten und wir lassen sie durch diesen Blog an der Pilgertour teilhaben. -
Nach der Messe werden wir in gut schwedischer Weise zum Kaffeeklatsch - Fika - im Domkyrkoforum eingeladen und danach folgt eine Führung von Magnus durch den romanischen Dom in Lund. Der Dom feiert dieses Jahr 900stes Weih-Jubiläum des ersten Altars in der Krypta. - Die Führung ist ein Streifzug durch die deutsch-dänisch-schwedische Kirchen- und Landesgeschichte festgehalten in Stein und Holz. - Eine Besichtigung (oder mehrere) des Domes ist jedenfalls sehr zu empfehlen.
Nach einem Imbiss ging es zum Rögle-Kloster (Dominikanierinnen-Abtei in Form eines Bauernhauses). Hier nahmen wir an der stillen Zeit und an der Vesper teil. 6 Schwestern leben hier (zwei aus Frankreich, drei aus Schweden und eine aus Norwegen). Morgen werden wir die Schwestern auf dem Pilgerweg noch einmal sehen. - Während der Vesper hat Christoph Johannes in Trelleborg von der Fähre abgeholt. Jetzt sind wir vollzählig.
Nun lassen wir den Abend mit gemeinsamen Essen und Komplet in Liberiet ausklingen und gehen rüber in die Jugendherberge zum Übernachten. - Ich jedenfalls bin hundemüde. Viele Eindrücke, das Springen zwischen den Sprachen, evangelisch und katholisch durcheinander ist ganz schön anspruchsvoll. Aber dabei herrscht bisher eine gute Gemeinschaft.
2. Tag - 23.07.2023
Wir sitzen in der Abenddämmerung in einem schönen Garten und dahinter hinunter geht der Blick bis Lund und Malmö. Es ist der alte Prästgården-das Pfarrhaus, welches nun u.a. als PIlgerherberge genutzt wird. Rosen duften, das Haus ist mit schwedischen alten Möbeln - teilweise Antiquitäten ausgestattet, Wir können alle Räume des Hauses nutzen und belegen, wie es für uns passt. Das tun wir und sogar der Garten wird zum Zelten genutzt. Die Pflaumen sind reif und die Gedanken einiger kreisen trotz Müdigkeit und schmerzenden Füssen um die Möglichkeit, einen Pflaumenkuchen zu backen. Mal sehen, ob es klappt.

Gerade waren wir noch thailändisch essen und auch ein Eis aus dem Supermarkt war drin.
Das nun ist das Ende der heutigen Pilgertour von etwa 20 km. Unterwegs besuchten wir die moderne - leider verschlossene - St. Knut-Kyrka in Lund-Linero, danach die mittelalterliche Hardeberga-Kyrka und dann das Rögle-Kloster.
Aber vorher mussten wir erstmal loskommen aus Lund. So ein Aufbruch kann sich ganz schön hinziehen. Nach einer durchwachsenen Nacht im Winstrup-Hostel trafen wir uns zum Frühstück in Liberiet. Lena, die Dompröstin begrüßte uns und bald kamen auch die ersten Schweden zum Mitpilgern. Beginn war die Pilger-Laudes in der Krypta des Domes. Wir waren 16 Leute aus Deutschland, Dänemark und Schweden - katholisch und evangelisch gemischt. Die Glocken des Domes läuteten dann für uns und wir begannen die Tour mit einer Besichtigung der katholischen St.Thomas-Kirche Lund und dann dem Besuch des Gartens der Dominikaner-Brüder, die leider alle im Urlaub waren.
Thema der Pilgertour ist: Walking together in Hope - in prayer, shared joy, remorse and sorrow. Dieses Thema darf in Zweiergesprächen oder im stillen Nachdenken unseren Tag durchziehen.
Danach ging es dann los Richtung Dalby. Zuerst durch den moderneren Teil der Stadt bis St. Knut, dann durch die Felder und an Steinbrüchen vorbei bis Hardeberga-Kyrka. Dort hatten wir unsere Lunch-Pause. Marion und Christoph fuhren die Busse und sorgten - teils unter abendteuerlichen Bedingungen für heißen Kaffee und Kekse.
Meine heutige Lieblingsbegegnung war mit Schwester Veronika, einer französischen Dominikanerin, die über kirchliches/katholisches/klösterliches Leben im protestantisch-liberalen und zunehmend säkularisierten Schweden erzählt.
Mit Vaterunser und Segen verabschieden wir uns im Andachtsraum und gehen die letzten Kilometer durch ländliches Gebiet und zuletzt durch den uralten Wald von Dalby, der der kleinste Nationalpark Europas ist.
Nun haben wir unsere Betten gefunden. Es ist selbst hier im Norden dunkel und Körper und Seele können sich erholen. Danke Gott, für einen gefüllten, unfallfreien und schönen Tag, an dem selbst das Wetter beste Voraussetzungen zum Pilgern bot.
3. Tag - 25. Juli 2023
Ich werde mal etwas persönlich: Meine Nacht war durchwachsen. Aber als ich morgens die ersten Bewegungen machte, hatte ich den Eindruck, dass sich alle Knochen schmerzhaft neu sortieren mussten. Auch das gehört zum Pilgerleben - die Entdeckung der eigenen auch körperlichen Grenzen und das Wissen, dass man nicht jünger wird und Regenerationszeiten länger dauern. Glücklicherweise gab sich das Gefühl nach einiger Zeit und mit einem lieben Bekannten kann ich sagen: Gott sei Dank, dass ich Schmerz empfinden kann.
Unten hatte Angelika schon den ersten Kaffee aufgesetzt. Der Duft wirkte belebend. Nach und nach trudelten alle ein.
Nach einem schwedischen Frühstücksbuffet gingen wir in die Kirche von Dalby. Diese ist die älteste Kirche in Skandinavien. Hier war zumindest für kurze Zeit neben Lund ein mittelalterlicher Bischofssitz und später ein Augustinerkloster, welches zeitweise großen Einfluss und Reichtum hatte. Als der Einfluss der Augustiner nachließ, mussten sie den Kirchbau verkleinern um ihn weiter unterhalten zu können. Ein Kreuz zeigte an, wie groß die Kirche einmal war und wo der Hauptaltar gestanden hatte. - Interessant: Veränderungen im Kirchenleben und auch in der Mitgliederzahl gab es immer. Und auf lange Zeit gesehen überlebte die Kirche. Vielleicht hilft dieser Gedanke, aufgrund der jetzigen Austrittswellen und Veränderungen in der Kirche weniger Panik zu schieben und mehr auf die Inhalte zu schauen und Gottes Wort weiter zu geben, egal wie die äußeren Umstände sind. Gott lässt seine Kirche nicht untergehen, wenn sie für ihn da ist.
Leider konnten wir nicht im Hauptkirchgebäude Andacht halten, weil umfangreiche Restaurierungsarbeiten in Gang waren. Aber im Vorraum der Kirche steht ein Altar und dort konnten wir die Laudes feiern.
Der Weg heute verlief auf einem alten Bahndamm und ist auch Teil des Skåneledens, des Hauptwanderweges. Den ersten Teil gingen wir schweigend.
Erster Stopp war Tornes Hållestad-Kyrka, wo Christoph und Marion mit frischem Kaffee warteten. Im Landhandel kauften wir Brot für den Tag und leckere Kardamom- und Kanelbuller, also die schwedischen Fika-Klassiker.
In Hållestad-Kyrka gab uns Magnus das Thema des Tages mit auf den Weg: Walking together in hope: reconsidering history och seeking conversion for the sake of the future.
Weiter ging es durch militärisches Sperrgebiet - eine ständige Erinnerung an die Kriege, in denen wir derzeit stecken, sowohl die äußeren als auch die inneren.
In Silvåkra-Kyrka begrüßte uns ein Friedhofsmitarbeiter, der extra länger gearbeitet hatte, damit er uns die Kirche geöffnet halten konnte. Am Rande des Friedhofes an einem sonnigen Fleckchen inmitten ausrangierter Grabsteine aßen wir unser Mittag. Hähnchen gegrillt. Ein Bus blieb in Silvåkra stehen und Marion fuhr weiter, während Christoph den weiteren Teil der Tagestour mit uns ging. (Nur um es klarzustellen: Unser Fahrerteam bestehend aus Marion und Christoph arbeitet hervorragend zusammen. Und sie haben reichlich zu tun, um uns einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen. Sie kaufen für uns ein, fahren uns hin und her, damit wir an den entsprechenden Stellen in den Weg einsteigen können und sie versorgen uns mit Kaffee und Kuchen unterwegs. Das ist ein Luxus, der die Stimmung sehr positiv beeinflusst. Danke an das Fahrerteam.)
Die Strecke von Silvåkra nach Harlösa ging vorbei an einem See mit reichem Seevogelbestand. Hier ist auch ein kleiner Zelt- und Rastplatz des Skåneledens mit Schutzhütten und Grillständen. Weiter durch Feld und Flur vorbei an reifen Süßkirschen-Bäumen und einer „Liebesbank“, die an das Geschenk der Liebe erinnern soll, kamen wir nach Harlösa-Kyrka. Die Kirche war schon geschlossen und wir ließen uns zurück nach Dalby fahren. Zum Abendessen gab es traditionelle schwedische gelbe Erbsensuppe, die Magnus uns mit viel Liebe aufgewärmt hatte. Sie schmeckte gut zusammen mit Senf, Käse, Bier und Kümmelbrand und natürlich zusammen mit den Geschichten über die Bedeutung schwedischer Erbsensuppe, die wir von Magnus dazu serviert bekamen. Wir aßen draußen und erzählten lange. Der schwedische Sommer schenkte uns einen wunderschönen Sonnenuntergang im Pfarrgarten bei kühlen 17 Grad Celsius. Zum Abschluss sangen wir ein schwedisches Abendlied mit den Worten des Lobgesanges des Simeon und sprachen das Abendgebet- und Segen.
Jetzt können wir uns eine etwas längere Nacht zur Entspannung gönnen - die letzte Nacht in Dalby. Hier ging es uns gut. Gott sei Dank.
4. Tag - 26. Juli, Harlösa nach Övedkloster
Es ist erstaunlich, was ein guter Nachtschlaf für die Laune tun kann. Und Astrids Hausmittel für die Füße. Hier die Empfehlung der Pilgerfusssalbe mit Tiefenwirkung: Pferdesalbe! Erhältlich für wenig Geld bei Rossmann oder für etwas mehr in der Apotheke.
Der Tag begann für manche früh, da es im Zelt empfindlich kalt wurde. Aber gegen 8 Uhr waren auch die letzten aus den Betten gekrochen und hatten sich tagfein gemacht. Wir sangen ein deutsches Morgenlied um die Gitarre wenigstens einmal genutzt zu haben. Frühstück war fertig und die schwedischen Delikatessen wurden genossen. Dann folgte der Transfer nach Harlösa, wo wir mit einer Morgenandacht in der Kirche starteten. Marion und Christoph säuberten derweil für uns das Haus - vielen Dank dafür.
Die erste Etappe des Tages ging über eine Kuhweide - mit ein paar netten jungen Kuhmädchen, die uns neugierig begleiteten.
Unser erster Stopp und die Möglichkeit eine Zwischenmahlzeit einzunehmen war beim Hjularöd-Schloss, einer übergroßen mittelalterlich anmutenden Villa mit wunderschönem Schlosspark.
Hier gab uns Magnus das Thema des Tages mit auf den Weg: Walking together in hope: To start in the perspective of unity not in discord. Als Gedankenimpuls: Es gibt viel Verbindendes zwischen den Denominationen. Es ist gut, wenn wir diese Gemeinsamkeiten ausbauen, statt ständig auf den Unterschieden und dem Trennenden rumzuhacken. - Damit hatten wir einiges zum Bedenken auf dem weiteren Weg.
Von dort ging es weiter zu einem Gedenkstein der Schlacht zwischen schwedischer Armee und Bauernsoldaten im 16. Jahrhundert, wo viele Bauern ihr Leben ließen. Hier fanden uns Marion und Christoph mit Kartoffelsalat und Würstchen, sowie Kaffee und Süßkram. Nach dem gemeinsamen Essen verabschiedeten wir Johannes, der dienstlich zurück nach Stralsund musste. - Schön, dass er für einige Tage dabei sein konnte. -
Marion nahm Ida mit im Bus, deren Füße dringend eine Pause benötigten. Übrig blieben 9 Pilgernde für den Tag.

Der Weg ging durch wunderschöne offene Landschaft. Das wechselnde Wetter malte großartige Wolkenbilder: auf der einen Seite Wald und eine dunkle Wolkenfront, auf der anderen Seite Sonne, weite Felder und strahlender Sonnenschein mit weißen Wölkchen. So ging es weiter bis zum Övedkloster, einer barock anmutenden Schlossanlage. Marion und Ida warteten auf uns. Und eine Eistheke auch. Die Busse fuhren uns zum B&B Husargården, einer erstaunlich gemütlichen Anlage mit mehreren Häusern, viel Platz, Dusche, Sauna und mehreren Aufenthaltsräumen mit Kamin oder im Freien. Weiß bezogene gemütliche Betten und ein Skåne-Schnitzel von immenser Größe gaben uns den Rest. Wir scheinen hier nur zu essen. Mit vollem Bauch schleppten wir uns zur Komplet. Die hielten wir alle auf deutsch. Anna, eine unserer schwedischen Mitpilgerinnen, die zum Drittorden der Franziskaner gehört und reichlich Erfahrung im Stundengebet hat, dankte uns danach. Sie sagte: „Ich verstehe kein Deutsch, aber die Worte kenne ich. Es hat mich bewegt, die Komplet mit euch in Deutsch zu beten. Das verbindet.“

Nun haben wir beschlossen, dass die Laudes morgen auch auf Deutsch gebetet wird und dafür die Komplet auf Schwedisch. - Auch die weniger Stundengebetgeübten sind langsam im Rhythmus. Vielleicht bleibt ja was hängen für den Alltag zu Hause.
5. Tag - 27. Juli 2023 Von Övedkloster bis Fränninge
Der Tag begann mit einer dicken Wolke, die sich über den Horizont auf uns zu wälzte und vor 8 Uhr entlud. Das war ein Dämpfer für die Tageslaune. Zu 8 Uhr gingen wir zum Frühstück - und dies war königlich. Brötchen und perfekt gekochte Eier, Filmjölk und Beeren, Kaffee und Tee, selbst gebackenes Brot (mit Fischgeschmack - ich muss fragen, ob das so sein muss…). Mit dem Bus ging es dann zurück zur Kirche des Övedklosters. Hier hielten wir unsere Laudes, diesmal auf Deutsch.
Danach hatten wir eine halbe Stunde Zeit, das Övedkloster - dies ist die größte Schlossanlage in Skåne - zu umrunden und den Schlosspark zu besichtigen. Wirklich beeindruckend. Ursprünglich war dies ein Prämonstratenserkloster aus dem 12. Jhd. und alle Kirchen rundherum gehen auf die missionarischen Tätigkeiten dieser Brüder zurück.
Vor dort ging es auf dem Pilgerweg Richtung Brandstad durch leicht hügelige südschwedische Landschaft. Die Kirche in Brandstad war dann leider verschlossen und - zum ersten Mal - fanden wir keine Toilette auf dem Friedhof. Irgendwann entdeckte Magnus dann eine junge Friedhofsarbeiterin, die uns das Dorfversammlungshaus für den Toilettengang aufschloss. Von Brandstad war der nächste angestrebte Stopp die Kirche von Östra Kärrstorp. Über uns braute sich eine Wolkenwand zusammen. Marion stand schon von der Kirche und wir wollten gerade den Kaffee holen, da brach die Wolkenwand auf. Einige flüchteten sich in den Bus, andere unter die Bäume und wieder andere fanden Schutz im Windschatten und Dachüberstand eines Hauses. Es war ein heftiges Sommergewitter mit sintflutartigem Regen. Und eine halbe Stunde später schien die Sonne. Gott sei Dank gibt es gute Regenkleidung. - Auch das ist Pilgerleben. - Magnus, der sonst eher stoisch abwartend und nordisch hart zum ersten mal ein Regencape überzog, weil der Regen echt heftig war, - hob die etwas verwässerte Stimmung mit Geschichten aus der Gegend. U.a. lernten wir, dass wir nun bald die sehr unbestimmte Grenze von Österlen erreichen, einer Gegend in Skåne. Hier lieben es Deutsche und Stockholmer Ferienhütten zu kaufen. Deshalb sind die Preise recht hoch. Die Gegend ist lieblich und nah an der Ostsee.

Während des Regens fiel mir auf, dass ich gerade sehr viel bewusster rieche. Morgens der Kaffee duftet herrlich. Unterwegs die blühenden Lindenbäume erinnern an den Geruch meiner Kinderzeit. Und der Duft der Erde nach einem Sommerregen ist wirklich ein Geschenk. - Warum nehme ich das im Alltag so wenig wahr?
Überhaupt bin ich jetzt raus aus dem Alltag. Wichtig ist, dass ich die nächste Etappe gut schaffe. Wichtig ist die Beschaffenheit oder Schmerzempfindlichkeit der Füße. Wichtig ist die nächste Mahlzeit. Wichtig ist eine gute Gemeinschaft und der Wunsch, sich zu verstehen, auch über Sprachgrenzen hinweg.
Walking together in hope: to be changed in the meeting and in the mutual witness.>span class="s1"> Wo und wie sind wir Zeugen von Gottes Größe in der Welt? Wo zeugt die Natur von Gottes Größe? Die Unmittelbarkeit des stundenlangen Gehens lässt diese Fragen tiefer einsinken.
Eine Infotafel an der Kirche in Östra Kärrstorp erinnerte: Gott ist alles in allem. - Das war die Empfindung mancher nach dem Regen.
Weiter auf dem Weg kamen wir dann in Vollsjö an. Wieder eine verschlossene Kirche und wieder ein Friedhof ohne Toilette. Dafür war einige Kilometer weiter ein Museum, welches an den bekanntesten Schriftsteller Skånes, Fritjof Nilsson Piraten, erinnert. Er schuf eine schwedische Version von Huckleberry Finn, war ein „wahrhaftiger Lügner“ und konnte gut Menschen beschreiben. Ganz sicher war er kein Heiliger. Offensichtlich ein Original mit piratenmäßiger Phantasie. Magnus erinnerte daran, dass wir nicht nur mit Heiligen unterwegs sind, sondern auch mit Sündern. - Jesus hat es uns vor gemacht. - Und manchmal sehen wir über Menschen hinweg, die nicht unseren Vorstellungen von Frömmigkeit entsprechen, und müssen feststellen: Vielleicht sind diese Menschen Gott näher, als wir.

Die letzten Meter von Vollsjö nach Fränninge schleppten sich unsere Füße. Auch diese Kirche war verschlossen. Aber Marion und Christoph hatten offene Busse, die uns nach „Husargården“ zurückbeförderten, wo ein sehr guter Burger mit Süßkartoffel-Fritten auf uns wartete. Überhaupt ist die Unterkunft sehr luxuriös für Pilger. Eben komme ich aus dem Jacuzzi und mein Körper fühlt sich knochenlos an. Was für ein Luxus auf dem Pilgerweg.
Die Komplet war diesmal auf Schwedisch und im Beten stellt sich doch eine besondere Nähe ein. Da sind alle Unterschiede, Begrenzungen und Sprachbarrieren unwichtig, weil uns ein größerer Gott verbinden. Wie schön.
(Kurzer Nachtrag: Ein Verkehrsschild hatte es mir heute angetan. Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30km/h mit dem freundlichen Hinweis: „Spielender Großvater mit Traktor befindet sich in der Nähe“)
6. Tag - 28. Juli 2023 Von Fränninge nach Mariavall
Heute war strahlender Sonnenschein. Beim Blick aus dem Fenster lag hinter den Weiden mit ihren schottischen Hochlandrindern (mit langen Hörnern) der Wald teilweise bedeckt von Nebelschleiern. Es versprach ein schöner Tag zu werden.
Wieder begrüßte uns ein wunderbares Frühstück und dann Magnus mit der Nachricht, dass heute die längste Etappe vor uns liegt. UND, dass er Teile der Strecke nicht so gut kennt und sich immer verläuft.
Mit dieser Nachricht fuhren wir los zur Kirche in Fränninge. (Unterwegs im Auto bin ich immer wieder erstaunt, wie groß die Entfernungen dann doch sind, die wir täglich zurücklegen) Die Kirche war verschlossen, naja. Gerade wollten wir uns auf einem sonnigen Stück Friedhofswiese zur Morgenandacht niederlassen, da kam ein Engel in Arbeitskleidung mit dem Kirchenschlüssel. Als wir alle vorm Altar standen, erklärte uns Magnus die Bedeutung der Nord- und Südpforte der Kirche mit ihrem Gestühl. Auf der Südseite sitzen die Männer, die dunkle Nordseite wurde den Frauen zugeordnet. Dorthin wurden wir - d.h. wir Frauen - dann auch geschickt und schicklich getrennt von den Männern feierten wir die Laudes.
Und dann ging es für viele Kilometer schnurgerade aus auf der Asphaltstraße. Die Sonne strahlte und wir schwitzten. (Da lernt man die Wolken und nordisch sommerliche 17 Grad der letzten Tage schätzen.) Alle 40 Minuten gab es eine Pause mit interessanten Einschüben zur lutherischen Pilgertheologie. Spannend, die unterschiedlichen Meinungen von heutigen und mittelalterlichen Theologen. So konnten wir die Asphaltstrecke gut bewältigen.
Unterwegs konnten wir reichlich Straßengräben betrachten und feststellen, dass die Diversität der Arten schon beachtlich ist. Darauf wurde sogar mit Schildern hingewiesen. - Dann kam endlich die Kirche von Andrarum zum Vorschein und die war nicht nur offen, sondern als Wegkirche besonders einladend mit Büchertisch, Kaffee und Kuchen und Obst sowie zwei netten älteren Damen gestaltet.

Diese Kirche gehört zum nahegelegenen Schloss Christinehof, das wir als nächstes besuchten. Skåne ist reich an Schlössern und wie beim Övedkloster ist auch hier der Grundbesitz samt Schloss immer noch im Familienbesitz. Christine, nach der das Schloss benannt ist, und Karl Pieper waren schwedische Adlige, die nach der Eroberung Skånes im 16. Jhd. durch die Schweden ins Land kamen. Während ihr Mann, ein hochrangiger schwedischer Militär, in Russland nach dem Krieg mit Zar Peter dem Großen in Kriegsgefangenschaft saß, baute Christine im Alleingang vor Ort eine große Industrie mit Alaunabbau und Verarbeitung auf und wurde eine der reichsten Frauen Schwedens. Auch sozial sorgte sie gut für ihre Leute. Es gab Schulen sowie Kranken- und Altersvorsorge.
Am Schloss und im Park exerzierenden karolinischer Soldaten vorbei, gingen wir zum nahegelegenen und sehr schönen Café, wo wir uns ausruhten und verköstigen ließen. (Das schwarze Johannesbeerparfair dort ist sehr empfehlenswert. Und auch die ganze Anlage ist einen Besuch wert.) Danach lief der Weg an den alten Alaunabraumhalden vorbei an einem Bach durch Wald und über Weiden weiter. Wunderschöne Natur, toller Waldboden (alter Buchenwald wie bei uns in der Granitz auf Rügen) für die müden Füße und reichlich Geschichte(n) begleiteten uns. Nun wurde die Landschaft abwechslungsreich und die Wege abenteuerlicher. Wir gingen über eine Kuhweide, wo vorm freilaufenden Bullen gewarnt wurde. Auch eine Mühle mit hübschem Wasserfall lag auf dem Weg. - Und die Kilometer summierten sich. Die Füße wurden immer müder. - Bei Eljaröd machten wir noch kurz auf den Kirchentreppen halt. Hier - fast am Ende des Tages - gab uns Magnus das Thema des Tages: Walking together in hope: To seek visible unity and together find concrete steps on the road. Witnessing together about the mercy of God before the world.

Dann ging es die letzten Kilometer nach Mariavall an einer befahrenen Straße entlang und durch den Wald und zuletzt einen Abhang hinunter und über den Straßengraben. Zwischendurch konnten wir die ersten Blaubeeren naschen. Nun, nachdem die Strecke nicht zum Ende zu kommen schien, riefen unsere Busfahrer schon an, wo wir denn blieben. Die Schwestern in Mariavall würden nervös und machten sich Sorgen um uns, so die Aussage. - Mitten im Wald kam dann das Kloster in Sicht. Ein erstaunlich großer und moderner Gebäudekomplex lag vor uns. Auf dem Parkplatz standen die zwei Busse und die Mutter mit einer Schwester kamen uns entgegen. Wir wurden freundlich in die Kapelle eingeladen, wo wir dankbar unsere Füße entlasteten und Gott für einen abwechslungsreichen Pilgerweg und unser Ankommen ohne Unfall dankten. Wir verabredeten uns mit den Benediktiner-Schwestern zur Morgenmesse um 7.40 Uhr am folgenden Tag und fuhren mit nun knurrenden Mägen nach „Husargården“ zurück.
Mittlerweile war es schon nach 20 Uhr und auf dem Hof hörten wir Livemusik. Aber richtig begeistert waren wir über das Abendessen: Steak vom hofeigenen schottischen Hochlandrind, gebratenes Gemüse, Kartoffelgratin und Pommes. So gut.
Gleich anschließend feierten wir die Komplet und teilten in einer Schlussrunde unsere Erlebnisse und Dankbarkeit. Nun schnarcht neben mir mein Mann in seligen Träumen. Morgen müssen wir früh raus. Unser vorletzter Pilgertag ist damit zu Ende und wir sind stolz, dass wir die Strecke gut geschafft haben. Magnus hat sich trotz Vorankündiung nicht verlaufen. Alles verlief gut. Gott sei Dank!
7. Tag - der Letzte - 29.Juli 2023 - von Mariavall nach St. Olaf
Wir stehen jetzt am Fähranleger in Trelleborg und werden mit der Nachtfähre nach Deutschland zurückfahren. Deshalb folgt nun der letzte Teil dieses Blogs.
Heute startete der Tag früh. Frühstück gab es um 6.30 Uhr und gegen 7 Uhr saßen wir in den Bussen und fuhren in die Benediktinerinnenabtei Mariavall. Die Messe sollte 7.40 Uh beginnen und wir waren nicht allein. Nach und nach kamen die älteren Schwestern in den Gottesdienstraum. Auch das Gästegestühl füllte sich langsam. Dabei waren zu unserer Freude Mona Lisa, eine lustige alte Dame aus der katholischen Gemeinde in Lund und Joanna, eine Katholikin und Angehörige des Drittordens der Karmeliten aus dem Umkreis von Mariavall. 7.40 Uhr zogen dann die restlichen Schwestern - insgesamt leben 12 Benediktinerinnen hier - ein. Kurz darauf folgte ein älterer Priester mit Novizen. Der Priester begrüßte uns auf deutsch. Das war die erste Überraschung. Auch die Predigt war zuerst auf schwedisch dann auf deutsch mit relativ wenig Akzent. Im Gespräch mit den Schwestern nach der Messe kam dann auch der Priester dazu und stellte sich als Bruder Ingmar vor. Er erzählte, dass neben den 12 Schwestern auch drei Brüder wenige Meter weiter ihr Kloster haben und wir wurden eingeladen, auch diese zu besuchen. Weiterhin erklärte er uns, dass viele schwedische Ordensangehörige für mindestens ein Jahr in Klöstern in Deutschland gelebt haben. Deshalb die guten Deutschkenntnisse.
Dann setzen wir uns zusammen für ein Gespräch mit Mutter Christa und den Schwestern Elisabet und Maria. Natürlich konnten auch zwei der Schwestern recht gut deutsch.
Wir erfuhren einiges über die Geschichte und Entwicklung der Ordensgemeinschaften und besonders der Benediktinerinnen in Schweden. Danach betete die Mutter für uns und sendete uns mit Glockengeläut auf den Pilgerweg. (Für unsere benediktinischen Schwestern in San Vincenzo: Herzliche Grüße zurück an euch und betet bitte auch für die Schwestern von Mariavall.)
Unser Pilgerweg wurde wenige Meter weiter erneut unterbrochen mit einem Besuch bei den Brüdern. Der Novize räumte schnell noch den Wischeimer aus der Kapelle - hier wird gelebt - und dann setzten wir uns, um Bruder Ingmar und einer Kurzbeschreibung seines Lebens zu lauschen. Lustigerweise wechselte der Bruder alle zwei Sätze die Sprache. Unterhaltsam bekamen wir einen guten Überblick über Teile der schwedischen Kirchengeschichte der letzten 50 Jahre und über sein Leben.
Und wieder machten wir uns auf, um die letzten Kilometer nach St. Olaf zu laufen. Ein guter Teil der Strecke ging durch den Wald. Magnus voran im sehr zügigen Schritt. Noch schneller war allerdings die bestimmt 80jährige Mona Lisa. (Sie hat uns alle abgehängt. So möchte ich im Alter auch drauf sein. Ein inspirierendes Vorbild.)
Nach einigen Pausen kamen wir in Sankt Olof an und wurden mit Live-Musik und Jahrmarktstimmung begrüßt. Da die Zeit schon fortgeschritten war, hoben wir uns den Jahrmarktsbesuch für später auf und gingen an der Kirche vorbei zur Olafsquelle. Dort warteten und beteten schon andere Pilger. Gemeinsam zogen wir dann unter Glockengeläut Richtung Kirche und in die Kirche ein. Dort bekamen wir einen Pilgersegen und die St. Olof-Anstecknadel. Wir hatten das Ziel der Pilgertour erreicht. Dies wurde durch einen gemeinsamen Gottesdienst gefeiert. Mit ausgezeichneter mittelalterlicher Musik aus dem 11.-12. Jahrhundert und Instrumenten wie Dudelsäcken, Tragorgel, Harfe, Streichinstrument und Tamburin wurden wir begleitet.
Und nun wollten wir Kaffee trinken und am Volksfest teilnehmen… Aber während des Gottesdienstes hatten sie die Stände abgebaut und der Kaffee war alle. Kaffee alle in Schweden ist etwa so schlimm wie auf einer orientalischen Hochzeit keinen Wein zu haben. Einige liebevolle Kirchenomas erbarmten sich und kochten extra für uns Kaffee nach. Und im Gepäck hatten wir noch reichlich deutsche Kekse und Schokolade. Das half dann für die Abschlussrunde.
Was nimmt jeder von uns mit von dieser Pilgerreise? Übereinstimmend waren wir begeistert von dem Wunder geschwisterlicher Gemeinschaft über Kirchen-, Sprachen- und Ländergrenzen hinweg. Wir waren zu einer Weggemeinschaft zusammen gewachsen. Mancher Austausch konnte wegen der Sprachbarrieren nur in Ansätzen stattfinden. Aber dem zum Trotz war die Gemeinschaft in die Tiefe gewachsen und wir gingen auseinander als Geschwister in Christus und Freunde. Das in sich selbst war ein Geschenk. Das Thema der Reise „Walking together in hope“ hatte in uns Wurzeln geschlagen.
Nun ist die Frage, wie wir unsere Pilger- und Gemeinschaftserlebnisse in den Alltag integrieren.
Als Schlusswort erinnerte Magnus daran, dass das Ende dieser Pilgerreise nur ein Zwischenstopp auf der Pilgerreise unseres Lebens ist. Unser Ziel ist die himmlische Heimat und das gemeinsame Pilgern hatte die Hoffnung und die Sehnsucht nach Gott genährt. Pilgern ist Nachfolge Christi und diese kann auf unterschiedliche Weise stattfinden. Wichtig ist, dass wir in der Nachfolge Christi bleiben bis hin zum Ziel unserer Lebenspilgerreise bei Gott in der Ewigkeit.
An dieser Stelle noch einige profane Informationen: Wir sind insgesamt 108 km in dieser Woche gelaufen. Da die Herbergen auf dem Weg wenige sind, übernachteten wir zwei Nächte in einem alten Pfarrhaus in Dalby, weitere drei Nächte in einem B&B auf halber Strecke. Durch die Busse konnten wir zur Unterkunft fahren und am nächsten Morgen am Endpunkt des Vortages wieder einsteigen.
Unsere Begleitfahrer haben uns (als reiner Luxus) auch während des Tages versorgt bzw. fußmüde Pilger mitgenommen.
Dadurch konnten auch Menschen, die noch nie gepilgert sind, das Pilgern für sich ausprobieren bzw. entdecken.
Herzlichen Dank an den Pilgerpastor Magnus Malmgren aus Lund für eine wirklich gute Organisation und Leitung der Pilgertour.
Nicht zuletzt Danke für alle Gebete (besonders auch die Gebetsunterstützung der Benediktinerinnen aus San Vincenzo al Volturno) und Danke an Gott für das Geschenk dieser dichten und ereignisreichen Woche und allem Schutz und Segen auf dem Weg.
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