02/07/2024 0 Kommentare
Jugendmesse in Stralsund
Jugendmesse in Stralsund
# Bericht

Jugendmesse in Stralsund
Borderline-Persönlichkeitsstörung, Magersucht und Depressionen sind keine typischen Themen für einen Gottesdienst am Sonntag, noch weniger am „Weltmissionssonntag“. Vor dem Hintergrund des vorgegebenen Evangeliums, in dem Jesus Christus den Pharisäern das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe vorstellte, beschäftigten sich die Jugendlichen der Pfarrei St. Bernhard mit häufig vorkommenden, aber selten thematisierten Problemen ihrer Generation.
In der ersten Szene repräsentierten die anonymen Protagonisten X, Y und Z je eine typische Krankheit:
Die depressive X findet keine Kraft zum Aufstehen, ist stets müde und unmotiviert, doch schlafen kann sie auch nicht. Von ihrer Familie hat sie sich ebenso distanziert wie von ihren Freunden. Selbsthass ist das Leitmotiv ihres Lebens, das sie nur noch als Fassade gegenüber ihren Mitmenschen aufrechterhält: „Ich kaschiere mein Leben mit Lügen, doch unter der Fassade kann ich nicht mal mehr lächeln.“
Mit Magersucht würde Y diagnostiziert werden. Sein Leben wird durch die Waage und die genaue Kalkulation der Kalorienwerte des täglichen Brots bestimmt. Beide führen Y immer wieder vor Augen, wie „fett“ er sei. Den Gürtel eine Schnalle enger zu schnallen, ist ein Erfolgserlebnis, das nur kurze Zeit währt: „Immer weniger, immer weniger, immer weniger“ lautet seine Devise: „Dann kann ich fliegen.“
Z leidet unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Nach dem morgendlichen Aufwachen ist es ihre erste Priorität, die erwartete Antwort der besten Freundin via WhatsApp zu lesen. Dass diese ausgeblieben ist, beantwortet Z innerlich mit Enttäuschung und Eifersucht. Bereits frühmorgens beginnt ein Teufelskreis, der Z mehr und mehr von der Realität trennt. Zurück findet sie nur, indem sie sich mit einem Messer ritzt: „Schmerz bedeutet Leben“ endet ihr Monolog.
Die zweite Szene diente dazu, die konkreten Herausforderungen in einen allgemeineren Kontext zu stellen. Mit Leistungsdruck, eigene Erwartungen, Ausgrenzung sind sie ebenso konfrontiert wie mit Anpassungszwängen oder Fehlerängsten. Im Alltag werden diese Lebensrealitäten Jugendlicher oftmals ignoriert, verharmlost oder geleugnet. Sie entstammen aber der Mitte ihrer Altersgruppe. Wünsche wie Verständnis, Sensibilität, Empathie oder Vertrauen formulierten die Jugendlichen schließlich in der dritten Szene.
Über das Anspiel hinaus sorgten die Jugendlichen für die musikalische Umrahmung des Gottesdienstes, darunter mit der Uraufführung eines Quartetts für Klarinette, Trompete, Cello und Orgel. Mittels eigener Kyrie-Texte und Fürbitten beteiligten sie sich außerdem aktiv am Gebet der versammelten Gemeinde.
Geradezu euphorisch waren einige Gläubige im Anschluss. „Das beste Anspiel, das in Stralsund je aufgeführt wurde“, war einer von vielen Kommentaren. Kaplan Hofmann bedankte sich und betonte die konzentrierte und lange Vorbereitung auf das Ereignis. Gerade in schwierigen Zeiten wie den erneut steigenden Corona-Infektionszahlen war es ein Leuchtturmprojekt, das hoffentlich bald eine Fortführung findet.
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